„Eine-Welt-Laden“ steht über der Tür des kleinen Geschäfts schräg gegenüber der Friedenskirche, und tatsächlich ist in den Regalen die ganze Welt zu finden: Kaffee aus Lateinamerika und Afrika, Tee aus Indien und Nepal, Kerzen aus Südafrika und Indonesien, Tücher aus Indien, Speckstein-Figuren aus Kenia, Klangschalen aus Nepal und vieles andere mehr. „Hinter jedem Produkt steht eine Erfolgsgeschichte“, sagt Barbara Fischer, die 26 Jahre lang als Vorsitzende den Eine Welt e.V. Radebeul geleitet hat, „denn jedes Produkt sichert seinen Erzeugern eine faire Bezahlung für ihre Arbeit und verhindert im besten Fall Armut und Flucht.“ Es war im Sommer 1990, als sich eine Handvoll Menschen in der Lutherkirche zusammengetan hat, um ihrer Verantwortung für die eine Welt gerecht zu werden. Mit dem Trabi ist eine von ihnen im Herbst 1990 nach Göttingen gefahren und hat die ersten fair gehandelten Waren eingekauft; seit Sommer 1991 gab es ein Geschäft im Erdgeschoss des Pfarrhauses auf der Harmoniestraße. Aus der kirchlichen Aktionsgruppe, die das Ganze angeschoben hatte, wurde im Mai 1995 der Eine-Welt e.V. Radebeul gegründet, der seitdem Kinder in der Partnergemeinde Octavio Ortiz in El Salvador unterstützt. Dort wurden im Herbst 1992, kurz nach dem Ende des Bürgerkrieges, auf dem Gelände einer riesigen ehemaligen Baumwollplantage demobilisierte Kämpfer und zurückkehrende Flüchtlinge mit ihren Familien angesiedelt. So entstanden dort einige Dörfer, anfangs nur mit Häusern aus Wellblech und Plastikplanen. Inzwischen haben fast alle Familien Häuser aus Stein, es gibt die Schule, den Kindergarten, eine Gesundheitsstation und ein Gemeindezentrum. Vieles ist jedoch nur mit Unterstützung aus dem Ausland möglich. So wird mit den Spenden aus Radebeul ein Teil des Gehalts der Erzieherinnen in den Kitas und eine zusätzliche Lehrerin in der Schule finanziert, weitere Spenden werden verwendet, um das Schulessen, das normalerweise aus Reis und Bohnen besteht, mit frischem Obst und Gemüse, Eiern, Fleisch und Fisch aufzubessern. Über 10.000 Euro spendet der Eine Welt e.V. jährlich in die Projekte in El Salvador. Das Geld kommt aus dem ehrenamtlichen Verkauf fair gehandelter Waren im Eine-Welt-Laden, aus Kollekten in Gottesdiensten und aus Spenden von Privatpersonen an den Verein. Wie diese Unterstützung in Zukunft organisiert wird, ist nun jedoch offen. Weil sich kein Nachwuchs gefunden hat, der das Engagement fortführen will, befindet sich der Eine Welt e.V. aktuell in Auflösung, Ende des Jahres wird der Eine-Welt-Laden in Altkötzschenbroda seine Pforten schließen. Bis dahin ist der Laden allerdings regulär geöffnet, an den ersten drei Adventswochenenden sogar mit Sonderöffnungszeiten während des Weihnachtsmarktes. Dies bietet eine gute Gelegenheit, gleich dreifach Freude zu bereiten: durch Absatz für die Produzenten fair gehandelter Waren, durch Erlöse für die Partnergemeinde in El Salvador und nicht zuletzt durch originelle Geschenke auf dem Gabentisch. Und auch wenn sich die Tür des Ladens am Abend des 17. Dezember zum letzten Mal schließt, soll die Unterstützung der Partnergemeinde in El Salvador weitergehen. Anfang 2024 ist wieder eine Reise nach El Salvador geplant. Danach werden weitere Pläne für die künftige Form der Hilfe geschmiedet.
Birgit Andert