Mittwoch, 17. Januar 2024 Reichenberg

Die Reichenberger Krippe ist fertig restauriert

Alle Jahre wieder

Die 27 großen Krippenfiguren der Firma Rudolf Apel aus Thüringen sind restauriert und die historische Krippe ist im Gemeindesaal der Kirche Reichenberg aufgebaut.
Staunend verweile ich vor der Krippe, so erhaben, wie die Figuren im Moment des Ereignisses der Geburt Gottes dargestellt sind. Ursprünglich 1993 als desolates Geschenk der Partnergemeinde Hannover-Ricklingen nach Reichenberg gekommen, können wir sie heute als besondere Rarität bezeichnen. Der Beharrlichkeit der Familie Pietzsch verdanken wir die Restaurierung der Krippenfiguren und die Provenienz. Beim Besuch der „Manufaktur der Träume“ in Annaberg-Buchholz (die Ausstellung basiert auf der Marie-Ströher-Gedächtnissammlung, einer Stiftung) entdeckten sie ganz ähnliche Figuren und einen Katalog des Herstellers, der Firma Rudolf Apel aus Oberlind in Thüringen (heute Stadtteil von Sonneberg).
Der Kurator der Sammlung schickte uns den Katalog als digitales Dokument. So konnte ich mich, beispielsweise bei der Ergänzung und später bei der Bemalung der Füße der Hirten, an den Zeichnungen des Kataloges orientieren. Der Kurator Jörg Bräuer datiert die Figuren um 1920 ein. Nach Aussagen von Helmut Brückner (Verfasser des Buches: „Lahl-Figuren Ein Museum für die (fast) vegessene Seite erzgebirgischen Kunsthandwerks“, Telescope Verlag 2022), wurden allerdings die Tierfiguren nach 1900 kaum noch mit Tuchstaub belegt (ein sehr aufwendiges Verfahren, wie gleich noch kurz beschrieben wird), so dass wir davon ausgehen können, dass die Figuren über 120 Jahre alt sein könnten. Die Besonderheit der Figuren besteht in der Materialkombination aus Pappmaché, Masse, Holz und Metall. Die Zusammensetzung der in Pressformen hergestellten Massen, war Firmengeheimnis und die Zusammensetzung der Masse variierte von Hersteller zu Hersteller. Diese Masse-Figuren konnten schneller und billiger hergestellt werden, als geschnitzte Figuren aus Holz. Verbreitung fanden die Figuren über Händler und Märkte. Eine Besonderheit ist die Gestaltung des Fells der Tiere. Für die Imitation des Fells wurde ein aufwendiges Verfahren eingesetzt. Ein Abfallprodukt aus der Textilherstellung, genannt „Tuchschur“ oder „Tuchstaub“, verwirbelte man manuell in einem „Drehkasten“ und die mit Leim eingestrichenen Oberflächen der Tiere wurden in diesem Kasten „beflockt“. Es blieb nur so viel Material haften, wie der Leimanstrich aufnehmen konnte.Die kalkulierten Arbeiten sind deutlich aufwendiger und dadurch teurer geworden. Zwei Tiere sind zusätzlich von mir bearbeitet worden. Außerdem hatte ich nach den ersten Arbeitsschritten entschlossen, entgegen meines ursprünglichen Konzeptes, alle unsachgemäßen Verleimungen zu lösen und die Klebeflächen zu reinigen, was allerdings zur Folge hatte, auch alle Bruchstücke wieder neu und möglichst sicher zu befestigen und die vertauschten Köpfe den richtigen Figuren zuzuordnen. Teilweise fehlten Teile an den Bruchstücken, die zusätzlich angekittet werden mussten. Eine Neubefestigung mit kleinen Dübelchen oder Edelstahldraht konnte nur nach und nach erfolgen, weil der jeweilige Ansatz immer erst trocknen bzw. aushärten musste. Mehrere Verluste von Gliedmaßen wurden neu geformt oder geschnitzt und wieder angebracht. Viele kleine Arbeitsschritte, die ein strukturiertes und geordnetes Arbeiten erforderlich machten, um den Überblick nicht zu verlieren. Fast alle Figuren sind durch Plinthen (gegossene „Untersetzer“ aus Masse mit Edelstahlgitter als Bewehrung) ergänzt oder im inneren der Gewandsäume mit Papier- bzw. Tonmasse verstärkt worden, um ein erneutes Umfallen zu verhindern. Das Umfallen hat die meisten Schäden an den Figuren verursacht. Die stehenden Schafe habe ich auf eine separate Holzplatte mit je zwei kleinen Bohrungen und Edelstahldraht montiert. Diese Arbeiten für die Gewährleistung der Standsicherheit sind ebenfalls zusätzlich ausgeführt worden. Die vielen Arbeitsschritte haben sich gelohnt, die gealterte Ausstrahlung der über 120 Jahre alten handgefertigten historischen Krippenfiguren ist erhalten geblieben.
„Alle Jahre wieder“ können wir vor der Krippe stehend Innehalten, Staunen und uns von Herzen freuen. Ich möchte mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen in meine Arbeit, Ihr Interesse und damit für die Erhaltung und Würdigung dieser besonderen alten Herstellungstechnik bedanken.
Allen Menschen, die zur Finanzierung der Restaurierung beigetragen haben, gilt mein besonderer Dank.

Carry Bendin, Diplom Restauratorin, Klipphausen, OT Pegenau

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