Mit diesem kurzen, aber prägnanten Zitat aus dem Lied „Wie soll ich dich empfangen“ möchte ich euch und Ihnen eines meiner Lieblingslieder für die Adventszeit vorstellen. Bei der Auswahl dessen habe ich mich leiten lassen vom eigenen Er“leben“ – das Lied ist eng mit meiner Biografie verwoben – im Elternhaus mit der Familie gesungen, später zu Kindergottesdiensten und in der Kurrende, ab 1966 dann beim Kreuzchor auf ganz unterschiedliche Weise sowie in vielen einfachen und kunstreichen musikalischen Sätzen. Das durch den Pfarrer und Dichter Paul Gerhardt sowie Kantor Johann Crüger 1653 entstandene Lied gehörte während meines Studiums der Kirchenmusik und der sich daran anschließenden über 40-jährigen Berufstätig[1]keit als Kantor/ Sänger und Organist zum Zentrum des Musizierens und der Verkündigung. Daraus lässt sich ableiten, welches „Schwergewicht“ das Lied einerseits bildet und andererseits für mich geworden ist. Sowohl im Hinblick auf die positive Beschäftigung damit als auch unter der Maßgabe, mit wenig Worten, aber deutlichen Akzenten dem Sinn und dem Gehalt/Schatz des Liedes nachzuspüren. Paul Gerhardt, im Jahre 1607 in Gräfenhainichen geboren, entdeckte schon während seiner Schulzeit, v. a. auf der Fürstenschule in Grimma, das Gespür und sein Talent zum Dichten. Im Laufe seines Lebens an unterschiedlichen Orten in ganz verschiedenen Verhältnissen und der Arbeit als Theologe/Pfarrer schuf er Texte zu über 133 Liedern, von denen in unserem heutigen EG noch 26 überliefert sind. Das Kirchenjahr wird geradezu dadurch geprägt und eingeteilt. Somit hat das Lied „Wie soll ich dich empfangen“ eine Tür öffnende, beginnende Funktion mit Impulscharakter. Diese besteht in einem anfänglichen Zwiegespräch des Dichters zwischen sich und Gott bzw. Jesus, seinem Sohn. Der Bezug zur Geschichte vom Einzug in Jerusalem wirkt dafür offensichtlich. Sein späterer Freund Johann Crüger hat die Melodie geschaffen, die uns heute so vertraut vorkommt, ebenso wie die erste Strophe des Liedes selbst. Die anfängliche Frage spricht uns alle an: Wie stelle ich mich auf das Kommen Jesu ein, welche Haltung dafür ist die richtige? Mit dem tonalen Höhepunkt in der Melodie gibt es ein Gebet als Antwort: „O Jesu, Jesu setze...“. Man könnte es so deuten: Wo Menschen sich zu Jesus erheben, da werden sie erleuchtet, da beginnen ihre Herzen zu „grünen“. Die Antwort darauf ist stetes Lob, so gut es geht. Ein Aspekt dieses Liedes trat in meiner langjährigen Praxis auch zutage: Die inhaltliche Zweiteiligkeit. Bis zur 5. Strophe erleben wir eine innige Zwiesprache mit dem kommenden Herrn. Von der 6. Strophe an wendet sich der Dichter an die Gemeinde, an uns alle, an die ganze Welt. So singen wir oft „nur“ höchstens 3-5 Strophen, aber gerade die Bildhaftigkeit, das Verwenden von z. T. für uns heute eher fremd wirkenden Ausdrücken und Metaphern zeigt auch im 2. Teil deutlich (Str. 6-10) die plastische Sprache Paul Gerhardts, welche uns intensiv in seine Gefühls- und Gedankenwelt der damaligen Zeit blicken lässt. Nicht zu vergessen, dass Johann Sebastian Bach den Text der ersten Strophe mit der Melodie zu „Herzlich tut mich verlangen/O Haupt voll Blut und Wunden“ von Hans Leo Haßler im Weihnachtsoratorium als ersten Choral verwendet hat. So lade ich ein, das Lied in der Adventszeit aufzuschlagen, zu lesen, die Melodie zu summen, zu singen und vielleicht mit dem kleinen Kanon aus jüngerer Zeit an die kommende Ankunft Jesu erinnert zu werden. Ich wünsche Ihnen und euch allen eine besinnliche, vom sich öffnenden/grünenden Herzen getragene und vom kommenden Herrn gesegnete Advents- und Weihnachtszeit!
Gottfried Trepte