Samstag, 28. Oktober 2023

Kommt her zu mir

Liebe Leserinnen und Leser, mein Lächeln kann das alte schäbige Ding hinter meinem Rücken auch nicht wettmachen. Zu Beginn unserer Dienstzeit hier in der Reichenberger Kirche sprach mich unser ehemaliger Baupfleger an: „Wissen Sie, was Sie für einen Schatz hinter dem Vorhang in ihrem Seitenschiff in der Kirche haben? – Teile eines evangelischen Beichtstuhls!“ Als mein Mann ihn mit Hilfe im hinteren Seitenschiff aufbaute, kam ein sehr klappriges und in die Jahre gekommenes Überbleibsel eines Beichtstuhls zum Vorschein – auf den ersten Blick alles andere als ein Schatz.

Die Farbe ist völlig verblasst und blättert ab, es ist gerade mal die Fassade halbwegs erhalten, mit Mühe und Not steht er mehr recht als schlecht auf. Er erinnert nur noch wenige Eingeweihte an die Möglichkeit der Beichte. In der katholischen Kirche ist die Beichte bis heute eine gut geübte Praxis: Dabei lädt der Beichtstuhl dazu ein, sich mit einem „Beichtvater“ zu treffen, sich „alles von der Seele zu reden“ und Vergebung zugesprochen zu bekommen. Aber – wann habe ich eigentlich zuletzt jemandem „etwas gebeichtet“?

Erst kürzlich hörte ich die berührende Geschichte von einem Menschen, der zum Ende seines Lebens hin noch bei allen ihm Nahestehenden für konkrete Fehltritte um Vergebung gebeten hat. Dieser ist „beichten gegangen“!

„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“, so heißt das alte Altarbild der Reichenberger Kirche, das heute im Gemeindesaal hängt. Felix Elstner hat es 1913 gemalt, es ist auf der Titelseite abgebildet: Mitten unter uns, hier inmitten einer ländlichen Idylle steht Christus leuchtend da. Er lässt sie alle zu sich kommen: den Zweifler, das Kornblumenkind mit dem offenen Blick, den Gebrechlichen, die gut situierte Familie, das Baby mit den offenen Armen, den Geplagten, die erwartungsfrohe, das Mädchen aus der Nachbarschaft. Alle lässt er zu sich, dieser Jesus Christus – ein Glanz geht von ihm aus, ein Glanz bis in die heutige Zeit.

Vielleicht braucht es keinen fest eingebauten Beichtstuhl mehr. Dann muss unser Reichenberger Beichtstuhl auch keinen Glanz mehr ausstrahlen. Aber den inneren Schatz der Beichte, den gilt es nach wie vor zu bewahren: Ich kann bei einem vertrauten Menschen „beichten gehen“, ich kann meinen Nächsten direkt um Vergebung bitten – und ich kann mich im Gebet an Jesus Christus wenden, der zu mir sagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“

Herzlich grüße ich Sie und euch!

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