Die Lutherkirche in Radebeul

Hier finden Sie Wissenswertes rund um die Kirche vom Bau bis zu den jüngsten Ereignissen, zum Förderverein, über das neue Gemeindezentrum, den Kulturellen Theaterauftritten und dem historischen Friedhof, auf dem neben dem Naturheilkundler Friedrich Eduard Bilz, dem Schriftsteller Karl May und Patty Frank noch eine Vielzahl Radebeuler Persönlichkeiten beigesetzt wurden.

Unser Kirchengebäude und unsere Gemeinde sind jung im Vergleich zu 2.000 Jahren Geschichte des Christentums oder der mehr als 800-jährigen Geschichte der Kirchgemeinde in Altkötzschenbroda. Wir befinden uns also noch in der „Vor-Kindergartenzeit“ und danken Gott, dass er unsere Gemeinde in den unterschiedlichsten Zeiten als eine Gemeinde und als seine Gemeinde erhalten hat. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes – Kinder Gottes. Und wenn ich auf unsere Geschichte zurückschaue, dann ist unserer Kirchgemeinde eine besondere Fähigkeit eigen: auf neue Lebenslagen mit neuen Ideen und neuen Formen der Gemeindearbeit zu reagieren.

So fing jedenfalls alles an:

Die ehemaligen Dörfer Radebeul, Serkowitz und Oberlößnitz wuchsen durch Zuzug. In Dresden entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts innerkirchlich eine Reformbewegung, um die riesigen Kirchgemeinden (zur Kreuzkirchengemeinde gehörten zeitweise 70.000 Gemeindeglieder) in überschaubare kleinere Gemeinden aufzuteilen. So konnte das Evangelium besser hautnah gepredigt und gelebt werden. Im Folgenden zitierte ich in Auszügen aus der Festschrift zum 100. Kirchweihfest unserer Kirche. Prof. Dr. Heinrich Magirius hat für uns festgehalten: Drei Männer aus Serkowitz, Oberlößnitz und Radebeul entschlossen sich, einen Kirchenbaufond zu gründen und die Bevölkerung von den drei seit 1886 zusammengeschlossenen Ortschaften zu Spenden aufzurufen. Denn die  Kaditzer Kirche platzte aus allen Nähten. Der Kirchenvorstand der  „Mutter“gemeinde hatte beschlossen, die Kirche zu erweitern. Die Vertreter der „Tochtergemeinden“ wollten sich nicht an diesem Projekt beteiligten. Dennoch begeisterte sich der Kaditzer Pfarrer Karl Bernhard Henrici für den Vorschlag der drei Initiatoren, einen Kircheneubau in Radebeul zu planen. Pfarrer Henrici übernahm den Vorsitz der dann gegründeten Kirchenbaukommission. Honoratoren der Ortschaften gehörten zu diesem Kirchenbauverein wie der Radebeuler Gutsbesitzer Karl Iltzsch, Grundstücksbesitzer Gustav Pabst und Gemeindevorstand Franz Rothe; aus Serkowitz der Fabrikbesitzer Robert Gysae (er schenkte das Grundstück für den Kirchenbau), der Gutsbesitzer und Gemeindevorstand Johann Gottlieb Klotzsche und Oberstleutnant z. D. Othello von Kreutzburg; aus Oberlößnitz der Weinbergsbeseitzer Karl Heinrich Klotzsche, Oberkammerherr Wirkl, Geheimer Rat von Metzsch und Oberst z.D. Ernst graf Vitzthum von Eckstädt. In kürzester Zeit waren 10.000,- Mark gesammelt. 1887 wählten die drei Ortsteilgemeinden einen Kirchenausschuß von je zwei Vertretern der Gemeinden unter dem Vorsitz des Grafen Vitzthum. Dieser Ausschuss initierte die Gründung einer eigenen Kirchgemeinde und die Wahl des ersten Kirchenvorstandes am 26. Januar 1890. Wer damals Demokratie life erleben wollte, mußte nur an der Wahl des ersten Kirchenvorstandes teilnehmen. Völlig überraschend wurde nicht einer der adligen Herren gewählt, sondern der Mittelstand. Der Kaufmann Josef Leo und o.g. Robert Gysae trieben den Kirchenbau voran. Ein Kirchenbauausschuss wurde gegründet. Als Nächstes suchte man einen Bauplatz. Die Idee war, das Grundstück zu erwerben, auf dem die heutige Schillerschule steht. Nach der Schenkung des Grundstückes an der „Meißner Chaussee“ von Robert Gysae entwickelte Josef Leo ein Programm, wie die Kirche gebaut werden müsste: Der Turm sollte zur Straße hin stehen, eine Vorhalle und seitliche Treppenhäuser besitzen. Den Kirchenraum sollte ein Gewölbe abdecken und an den Wänden seitliche Emporen angebracht sein. Ziel war, etwa 1.000 Sitzplätze zu schaffen. Der Bau sollte aus Naturmaterialien der sächsischen Landschaft bestehen und äußerlich mit Verblender-Ziegeln und einer Sandsteingliederung in die Landschaft strahlen. Einen besonderen Baustil forderte der Kirchenbauausschuss nicht. Ihm war allerdings das sogenannte „Eisennacher Regulativ“ von 1861 bekannt, wonach Kirchbauten möglichst in einer nicht profanen-modernen Architektur gestaltet sein, sondern die Grundformen der Gothik und des Mittelalters überhaupt als die typische Kirchenarchitektur ausdrücken sollten. Am 1. Juli 1890 wurde die Kirchgemeinde offiziell gegründet und ein Pfarrer eingeführt.

Die Dresdner Martin-Luther-Kirche war gerade nach den Vorgaben des Eisenacher Regulatives gebaut und eingeweiht. Ihre Architekten Giese & Weidner und zwei junge Architekten aus Berlin, Schilling & Graebner, forderte der Kirchenvorstand zu einem Wettbewerb auf. Das Ergebnis wurde am 26. und 27. Mai 1890 in der Radebeuler Schule ausgestellt. Am 2. Juni entschied sich der Kirchenvorstand für den Entwurf der Firma Schilling & Graebner. Der Entwurf von Giese & Weidner war im neugotischen Stil gehalten und sah eine Doppelturmfront vor, mit einer Vorhalle und seitlichen Treppen-Wendelsteinen. Der Kirchenvorstand und der Kirchenbauverein entschieden sich für Schilling & Graebner. Dieser Entwurf galt damals als „extravagant“, ja als „unkirchlich“. Die Architekten hatten sich für einen Stil der deutschen Neorenaissance als Stil der Reformationszeit entschieden. Möglicherweise wollte man sich im Stil von den Dresdner Vorstadtgemeinden unterscheiden (Zusatz von Christian Mendt: und, so vermutlichlich, natürlich auch von der alten Kirche in Altkötzschenbroda). Der imposante Kirchenbau wirkte gut vor den Weinbergen und war sicher von der Bahnlinie prächtig anzuschauen. Die Südseite – die Apsis – ist darum von den Architekten besonders schön ausgeformt worden. Der Entwurf und der Bau erregten in Deutschland Aufsehen. Junge Architekten hatten gewohnte Baurichtungen verlassen und etwas Neues geschaffen und dass effektiv und preiswert. Die Architekten Schilling & Graebner wurden in den nächsten 20 Jahren die progressivste Kirchenbaufirma in Mitteldeutschland. In Dresden gestalteten sie den Innenausbau der Kreuzkirche, die Christuskirche in Dresden-Strehlen, die Zionskirche in Dresden-Süd und die Lutherkirche in Zwickau. Die Entscheidung in Radebeul der wenig traditionell belasteten „bürgerlichen Kräfte“ eröffnete neue architektonische Wege. Im Übrigen hat auch der berühmte Architekt Ernst Ziller unaufgefordert einen Entwurf für die Kirche geschaffen. Fantastisch, im neobyzantinischen Stil (siehe Ausgabe Dez./Jan. 2012). Das Kirchenschiff erinnert an die Sophia Hagia. Daneben ein Glockenturm, der Bilder von Venedig aufleuchten lässt. Verrückt die Radebeuler Architekten und provokativ.

Am 19. Mai 1891 wurde der Grundstein gelegt. Am 1. Advent, dem 28. November 1892, feierten die Gemeinde und die Stadt bereits die Einweihung. Was für ein Tempo und das mit wesentlich einfacherer Technik als heute. Der Roh- und Innenausbau mit Ausstattung brauchte 19 Monate Zeit. Beteiligt waren die Firmen Baron aus Dresden, die Eisenkonstruktion des Dachstuhles lieferte die Firma Kelle & Hildebrandt, die Firma Hartenstein aus Pieschen übernahm die Steinmetzarbeiten. Die Firma Haberkorn aus Rolitz lieferte den Rochlitzer Porphyr. Die Ziegel kamen aus Torgau von der Firma Otto Wenck. Die Firma Pöschmann aus Radebeul führte die Klempnerarbeiten aus und das Dach deckte die Firma Bock. Otto Schlosser aus Meißen lieferte die Tischlerarbeiten und die schmiedeeiserne Kunst schuf August Kühnscherf. Gustav Wiese wirkte als Dekorationsmaler. Kurt Roch modelierte die Reliefs an der Kanzel, an der äußere Sakristeitür und für den Taufstein. Kurt Roch arbeitete gleichzeitig am Dresdner Schloss. Der Bildhauer Hermann Hasenohr schuf die Modelle für die Säule vor dem Hauptportal, ebenso die Kapitelle der Taufkapelle und für die innere Sakristeitür, für die Gewölbeanfänge und das Gotteslamm im Triumpfbogen – Reinold König entwickelte das Modell für die Kanzel, und den „Deckentrophen“ schuf Valentin Kaschek. Die Holzarbeiten für den Altar, die Kanzel und Lesepult führte Johannes Luwig in Seifersdorf aus. Das Lesepult stiftete Graf Vitzthum. Sein Spendenbrief klebte bis vor zwei Jahren noch unter dem Pult. Die Altarfenster wurden im Wesentlichen von dem mittelständischem Unternehmer Josef Leo gestiftet. Die Glasfirma Bruno Urban baute sie nach Dürers Graphiken, „insbesondere der Kleinen und Großen Passion“. Die Orgel lieferte die Firma Jehmlich, das Geläut Albert Bierling, die Gaskandelaber im flämischen Stil die Firma Seifert. Einschließlich aller privater Spenden zur Ausstattung kostete der Kirchenbau 325.494,42 Mark. Das Ministerium des Inneren beteiligte sich durch seinen Kunstfond mit der Übernahme der Kosten für die monumentalen Holzfiguren von Moses und Johannes dem Täufer, die der Radebeuler Bildhauer Richard König erst 1897 fertig stellte. So in der Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum unserer Kirche von Prof. Dr. Heinrich Magirius. Heute noch erzählen die eingestanzten Namen auf mehreren Ausstattungsgegenständen unserer Kirche, wie stark sich Gemeindeglieder mit dem Kirchbau identifiziert haben. Es war und ist ihre Kirche, die ihnen geistliche Heimat gab und gibt. Daran sollten wir denken, wenn wir ein Gemeindehaus bauen. Es soll unser Haus werden und wir werden den Bau nur stemmen, wenn ein großer Teil der Gemeinde sich mit dem Neubau identifiziert. Für das neue Haus gilt wie für unsere Kirche der Satz aus dem sogenannten Hebräerbrief 13,8: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Er steht genau in der Mitte und bleibt die Mitte all unserer Bemühungen. Darum – segne uns Gott auf diesem Weg.

Christian Mendt

Das Einmaleins des Glockenläutens

„Wenn im Turm die Glocken läuten kann das vielerlei bedeuten“, schrieb einst der in Dresden geborene Erich Kästner (1899-1974).

Das Läuten der drei neuen Bronzeglocken, in der damaligen Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer unter großer Anteilnahme unserer Kirchgemeinde 2008 im Des-Dur-Akkord gegossen, ist unter Berücksichtigung liturgischer und musikalischer Gesichtspunkte in der Läuteordnung festgelegt. Glocken läuten immer zur Ehre und zum Lobe Gottes, rufen uns zu Andacht und Gebet und verkünden der Umwelt, dass sich die Christen versammeln.

Das Morgenläuten werktags übernimmt die Tauf- bzw. Kinderglocke as1, unsere Kleinste. Zum Mittagsläuten hören wir die Fest- bzw. Lutherglocke des1, unsere größte Glocke, und von Montag bis Freitag erklingt zum Abendläuten die mittlere Glocke, die Gebets- bzw. Stadt-und Winzerglocke f1.

Beim Einläuten der Sonntage und hohen Feste erklingen alle 3 Glocken – in der Advents- und Passionszeit nur größte und kleinste – zunächst einzeln sich vorstellend und dann programmiert zusammen. Das Vorläuten vor Beginn der Gottesdienste übernehmen die größte und mittlere Glocke, in der Advents- und Passionszeit die größte und kleinste Glocke.

Die kleinste Glocke läutet für Taufen, die kleinste und mittlere bei Trauungen und die größte und zugleich tontiefste bei Trauerfeiern. Im Kirchenjahr können wir von unseren großen bronzenen Musikinstrumenten unterschiedliche Läutemotive hören: das Plenum (des1 f1 as1), die Dur-Terz (des1 f1), die Moll-Terz (f1 as1) oder die Quinte (des 1 as1).

Rainer Thümmel